Windeln

 

„Ab dem 3. Lebensjahr bezahlt übrigens die Pflegekasse die Windeln. Frag doch mal nach.“ Ein Tipp von Lenis Therapeutin. Ich fragte also nach. Es stimmte. Die Pflegekasse würde die Kosten übernehmen. Einmal im Quartal sollte ich mir vom Kinderarzt ein Rezept ausstellen lassen. Im Sanitätshaus oder in der Apotheke könnte ich dann die Windeln beziehen. Super, dachte ich.

Ich telefonierte mit einem Sanitätshaus, mit einem Zweiten, mit einem Dritten. Ich wurde immer bleicher. Wieso kann mir denn keiner Kinderwindeln liefern? Die Juniorwindeln, die sie mir hätten bereitstellen können, wären für Leni zum damaligen Zeitpunkt zu groß gewesen. Komisch, dachte ich. Ich rief die Apotheke an. Die Apotheke könnte geeignete Windeln liefern. Kein Problem, hieß es dort. Einen Tag später rief mich die Apotheke an. Ich müsste 50 Euro für ein Quartal zuzahlen. Wieso zuzahlen, die Kasse übernimmt doch? Die Apothekerin klärte mich über die Zahlungen auf. Die Pflegekasse übernimmt 48 Cent pro Windel. Ich schluckte. So viel? „Und dann muss ich noch zuzahlen? Was bitte kosten denn die Windeln bei Ihnen?“ Die Apothekerin klärte mich auf, ich klärte sie über Kosten der Windeln in der Drogerie auf.

Ich rief die Pflegekasse an. Ich versuchte zu erklären, dass ich bisher in der Drogerie meine Windeln gekauft habe und nicht einsehe woanders zum Kauf gezwungen zu werden, um dann noch zuzahlen zu müssen. Die Sachbearbeiterin erklärte, es wäre mir nicht erlaubt in die Drogerie zu gehen, weil ich zwingend eine Beratungsstelle aufsuchen muss, eben ein Sanitätshaus oder eine Apotheke. Ich verstand das nicht. Es ging um Windeln. Wozu bitte eine Beratung?

Das Telefonat war beendet. Ich konnte es nicht fassen. Ich rechnete mir die Kosten der Windeln in der Drogerie für ein ganzes Quartal durch. Ich rief die Kasse erneut an. Ich rechnete der Sachberaterin alles vor und stellte ihr die Frage, ob es nicht im Interesse der Pflegekasse wäre im Quartal selbst ca.100 Euro zu sparen? Sie schwieg kurz, dann sagte sie mir, sie würde mit der Teamleiterin darüber sprechen. Sie rief mich zurück, keine 5 Minuten später. „Ja gut. Wir können ja davon ausgehen, dass auch in der Drogerie Personal zu Beratung vor Ort ist. Reichen sie uns dann bitte immer die Quittungen ein.“ Super, dachte ich erneut. Im Übrigen durfte ich die Windeln nicht im Internet bestellen. Die persönliche Beratung wäre ja nicht gewährleistet gewesen.

Einen Tag später rief mich ein Sanitätshaus zurück, um mir zu sagen, sie könnten mir leider auch keine Windeln in der Größe, die ich brauchte stellen. Ich dankte für den Rückruf, es sei sowieso erledigt, schließlich hatte ich ja eine Lösung. Die Dame vom Sanitätshaus wunderte sich allerdings und erzählte mir, die Pflegekassen hätten eigentlich eigene Vertragspartner. Diese Vertragspartner liefern direkt die Windeln nach Hause. – Komisch. Davon hatte die Pflegekasse nichts erzählt. Vorteil wäre, ich müsste nicht in der Drogerie die Windeln selbst abholen und ich hätte den Quittungspapierkram nicht, um mir jedes mal das Geld zurückzuholen. Ich rief also erneut die Pflegekasse an. Antwort auf meine Frage nach dem Vertragspartner: „Sie wohnen außerhalb des Einzugsgebietes der Pflegekasse. Ein Vertragspartner kommt daher nicht in Frage.“

Ich wurde blass. Ich stammelte völlig verdutzt am Telefon: „Was hat denn mein Wohnort mit der Lieferung von Windeln zu tun? Ich wohne doch nicht auf Hawaii? Die Windeln kommen doch mit der Post, beliefern sie andere Bundesländer nicht?“ Die Sachbearbeiterin druckste rum: „Ich sagte Ihnen bereits, sie brauchen einen persönlichen Berater vor Ort.“ Ich fragte wieder zurück: „Wenn ich da wohnen würde, wo ich versichert bin, dürfte ich Windeln beim Vertragspartner beziehen, verstehe ich das richtig? Weil ich in einem anderen Bundesland lebe, eben nicht?  Wo habe ich denn den Berater bei dem Vertragspartner bei Ihnen?“ Jetzt stammelte die Sachbearbeiterin: „Na ja. Wir als Pflegekasse sind ja direkt hier vor Ort. Sie könnten sich dann jederzeit bei uns beraten lassen. Klar ist, sie wohnen außerhalb des Einzugsgebietes der Pflegekasse und dann brauchen sie eben einen persönlichen Berater.“

Ich war baff. Was für eine strikte Trennung bei Mitgliedern gemacht wird. Ich werde also als „Mitglied außerhalb des Einzugsgebietes der Krankenkasse“ geführt und habe dadurch andere Auflagen. Im Einzugsgebiet der Pflegekasse brauche ich die persönliche Beratung gar nicht, weil die Pflegekasse eben ihren Sitz dort hat. Ich fühlte mich von dieser Tatsache diskriminiert, irgendwie jedenfalls. Und wieso könnte ich mich denn nicht auch bei dem Vertragspartner telefonisch beraten lassen, letztlich habe ich das im Sanitätshaus doch auch nur so gemacht? Persönlich besucht habe ich jedenfalls keines. Ich ließ nicht locker und diskutierte mit der Sachberaterin über genau diese Dinge, die mir da durch den Kopf schossen.

Irgendwie lenkte sie ein und versprach mit der Teamleiterin zu reden und mich nochmals zurückzurufen. Sie rief ziemlich schnell zurück und tatsächlich. Urplötzlich war alles kein Problem mehr. Ich könnte den Vertragspartner kontaktieren, das Rezept dann dort hinschicken, bekäme meine Windeln in der Größe, die ich brauchte direkt nach Hause geschickt und eben ohne Zuzahlung. Ich rief also den Vertragspartner an. Die Sachbearbeiterin dort nahm die Daten auf, Versichertennummer und dann die Adresse. Es wurde kurz still am Telefon, dann die Antwort: „Das können wir nicht leisten. Sie wohnen außerhalb des Einzugsgebietes der Pflegekasse“ Ich lächelte. Ich gab ihr die Nummer der Sachbearbeiterin der Pflegekasse damit sie das klären konnte. Ich würde ihr das Rezept zuschicken und bat um zeitnahe Sendung der Windeln.