angekommen2Es ist ein schöner sonniger Tag. Leni wirft eine Schippe Erde mit Hilfe ihres Papis zum Zuckertütenbaum. Direkt vor ihrem Klassenzimmer ihrer neuen Schule wird er stehen.
Ab heute ist sie Schulkind. Im Klassenraum bekommen alle 9 Kinder ihrer Klasse ihre Zuckertüten. Auch Caro freut sich über ihre kleine Tüte. Leni findet es einfach nur spannend, welcher Trubel im Klassenzimmer herrscht. Ich freue mich über ihre Lehrerinnen. Sie sind liebevoll und sehr nett. Es wird passen, für Leni und auch für uns, beruhigt zu sein, zu wissen, sie wird in ihrer Schule ankommen.

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Lenis erster Schultag verläuft chaotisch, 9 Kinder, davon 4 mehrfachbehindert. Jeder von ihnen braucht einen Integrationshelfer. Nur ein Kind hat einen zur Seite gestellt bekommen. Das Verfahren beim Sozialamt für Lenis Schulbegleiter läuft schon 2 Monate.

Anfang Oktober wird mich die Frau vom Sozialamt anrufen und mir mitteilen, dass sie einen Schulbegleiter erst mal genehmigt, für ein Schulhalbjahr. Ich werde sie fragen, warum die Genehmigung nur für ein Halbjahr ausgesprochen wird. Sie wird mir keine vernünftige Antwort geben können. Eine Woche später werde ich angerufen. Morgen wird zur Probe eine Integrationshelferin kommen. 4 Wochen später wird sie erst anfangen können, nach den Herbstferien. Es ist Anfang November. Dazwischen schreibt mir einen Lehrerin in Lenis Buch: Es gibt krankheitsbedingt keine gerechte Betreuung für Leni, ob es denn möglich wäre Leni bis Ende der Woche zu Hause zu behalten. Sie danken für mein Verständnis. Ich bleibe zu Hause.

Termine bei der Kinderärztin stehen an. Sie vermittelt mir Kontakte zur Uniklinik, zum SPZ, zum Hospiz. Ich melde Leni überall an, wir warten auf die Termine, es dauert nicht lange. Im SPZ werden wir freundlich empfangen. Ich erzähle über Leni, wieder… Es kommt mir so vor, als ob ich das hundertste Mal ihre Symptome, ihr Verhalten erklären muss. Und was kann sie jetzt so? Was spielt sie denn so? Was ärgert sie denn jetzt? Hat sie das immer, diese Unruhe? Wann haben sie von ihrer Behinderung erfahren? War etwas in der Schwangerschaft auffällig? Ich erzähle. Alle hören gespannt zu und schreiben mit. Wir verabschieden uns freundlich. Mir werden die nächsten Termine zugeschickt. Orthopädie, Psychologie.

Der Unikliniktermin ist gleich einen Tag später. Auch hier kennt keiner ihr Syndrom. Ich erzähle… wieder. Leni wird Blut abgenommen. Routine. Ihre Nieren müssen kontrolliert werden. Eine Sonografie folgt. Die ersten kleinen Zysten sind zu sehen. Mir geht’s nicht gut. Ich könnte heulen.

angekommen1An einem Donnerstag fahren wir mit Omi zusammen ins Kinderhospiz. Hier haben wir die Möglichkeit Leni ein Wochenende oder ein paar Tage zur Entlastungspflege abzugeben. Die Begrüßung ist so herzlich, dass ich von der ersten Sekunde keinen Zweifel habe, dass es ihr hier gut gehen wird. Wir besprechen den Tagesablauf, das Organisatorische. Mir werden die Räume gezeigt. Ich bin begeistert und mache ein Kennenlernwochende im Dezember aus. Ein Wochenende für uns als Familie im Hospiz.

Es klingelt. Ein großes Mädchen steht vor der Tür. Sie kommt von der Lebenshilfe zu uns um uns zu unterstützen, einmal oder zweimal die Woche. Sie ist sehr nett. Leni freundet sich schnell an. Caro ist ebenfalls begeistert. Ich bin froh.

„Ich habe Ihnen mal ein paar Windeln mitgebracht.“ Ich bin erstaunt. Der Fahrer vom Fahrdienst hat selbst eine behinderte Tochter. Gestern unterhielten wir uns kurz über Windeln, weil Leni immer so schnell durchgepullert ist. Heute hat er Windeln von seiner Tochter zum probieren dabei. Leider wird es nicht anders sein, als mit unseren. Leni trinkt und pullert Unmengen. Trotzdem: Wie nett!?

Das Telefon klingelt, das Sanitätshaus meldet sich. An Lenis Rolli wurden die Vorderräder gewechselt. Dennoch scheint am Rahmen etwas verbogen zu sein, nicht viel. Wir besprechen Details. Eine Woche später bestellen wir eine Schiebehilfe für den Rolli. Wir werden die Rechnung selbst begleichen. Pflegekasse und Sozialamt übernehmen die Kosten nicht.

Caro sitzt auf Lenis Bett und hilft ihren Becher zu halten. Leni trinkt. Ein Becher.. zwei… drei. Ich… nein, Caro kämmt Lenis Haare. Gleich wird Leni für die die Schule abgeholt und Caro wird von unserem Schlafzimmer ganz gespannt zuschauen, wie ich Leni in den Bus setze. Dann frühstücke ich mit Caro, versuche sie zum Anziehen zu bewegen. Caro bummelt. Zeit vergeht. Ich gebe Caro in ihrer Kita ab. Sie freut sich, aufs Spielen, auf die Kinder.

Am Nachmittag saust Caro mit ihrem Laufrad unsere Straße entlang. Leni läuft an Papis Händen und erkundet ihre Welt. Alle drei sehen glücklich aus.

Und ich bin es auch, in einer neuen Stadt, mit neuen Gesichtern, in einem neuen Haus.

Wir sind angekommen.